Sonntag, 1. August 2010

Als im August.

Einsamer nie als im August:
Erfüllungsstunde - im Gelände
die roten und die goldenen Brände,
doch wo ist deiner Gärten Lust?

Die Seen hell, die Himmel weich,
die Äcker rein und glänzen leise,
doch wo sind Sieg und Siegsbeweise
aus dem von dir vertretenen Reich?

Wo alles sich durch Glück beweist
und tauscht den Blick und tauscht die Ringe
im Weingeruch, im Rausch der Dinge -:
dienst du dem Gegenglück, dem Geist.


Gottfried Benn

Kein Grund für Einsamkeit, aber doch spürbar und einschneidend: nun hat auch das letzte Kind, die mittlere Tochter, das Daheim verlassen, ist zur großen Schwester nach Wien gezogen. Und die Mutter genießt eine endlich wieder große Wohnung mit viel Platz zum Denken. Allein.

Samstag, 3. Juli 2010

Der Welt abhanden.

Zu diesem Lied, das ich so liebe und das manchmal keines, oder aber eines Grundes bedarf, es zu hören - wo's dann so tröstlich fließt - gab es heute Vormittag einen tief gehenden Hör-Essay auf OE1, der mir die Tränen in die Augen trieb, doch es war nicht das Lied selbst, sondern was mit dem Autographen geschah, oder vielmehr wie mit wertvollen Nachlässen umgegangen wurde, wie mit Guido Adlers Bibliothek verfahren worden war, und wie die einen Nachfahren bis heute in Ignoranz verharren, die anderen aber nicht mehr am Leben sind.

Freitag, 2. Juli 2010

Day of Mourning.

Es war ein Tag voll Traurigkeit, zwei Begräbnisse zeitgleich. Der Geliebte war in Wien, bei Mimi. Und damit auch, vor allem, bei seinem Freund Charlie.

Und ich bin ins Mürztal gefahren, einen ins Grab zu begleiten, der fröhlich gelebt hatte, bis zuletzt, und die vielen Tränen sicher nicht gewollt hätte. Erst als es zu dämmern begann, sagte die eine Tochter: "Jetzt stell'ma a Flasche auf'n Tisch". Da saßen wir in die Nacht und Sprachen über ein glückliches Leben voller skurriler Geschichten.


Und doch ist einer der Welt abhanden gekommen

Freitag, 25. Juni 2010

Weitergehen.

Der Tod um uns. Auch gestern bei der großen Gala, inmitten im Feiern, ein Thema, oft genügte ein Blick, um dieses einen, mit dem so viele verbunden waren, im Einverständnis zu gedenken. Vor wenigen Tagen ein Hilferuf aus Italien, das zweisprachige Magazin, für das wir beide schrieben, bat um erinnernde Worte. Und Fotos. Den Text verfasste ich im Zug, für die Bilder hab ich einen Verlag ins Spiel gebracht - und eben erfuhr ich, dass die Weitergabe von hier nach da ganz unbürokratisch geklappt hat. Frauen, dacht ich mir, Frauen, die sich über mögliche Rechte hinwegsetzten, weil der gemeinsame Verlust eint.


Nachlesen, schreiben - es hilft. Und weitergehen. In Angriff nehmen. Erstgespräch mit einer jungen Programmiererin. Es wird irgendwann endlich die eigene Seite geben. Leistbar. Interessiert?

Mittwoch, 23. Juni 2010

Prüfungen.

Noch nie, ich erinnerte mich sonst, lag an meinem Geburtstag frisch gefallener Schnee auf den Bergen. Und auch wenn wir gestern südlicher fuhren - wir entkamen ihm nicht, im Gegenteil, wir gerieten höher und näher.

Die Nervosität, die mich am Morgen ganz plötzlich und unerwartet ergriffen hatte, legte sich erst um die Stunde, da das Kind daheim vor seinen Prüfungsaufgaben saß; da spürte ich, dass sie's schaffte.

Am Abend statt ausgelassener Feierstimmung lange Gespräche, wie Prüfungen auch, und eine merkwürdige Antwort, die das Ungreifbare noch unterstrich. Erst heute dann, beim vierten Essen innert zweier Tage, endlich Zeit für Mutterstolz: die geprüfte Maturantin.

Maturantin

Sonntag, 20. Juni 2010

... und spreche ein jeder in seiner Sprache ...

Inmitten von verstörenden Todesmeldungen, die die vergangenen Tage mit einem Gedankenschweif ausfüllten, drang auch jene Nachricht durch, die vom seltsamen Sprachvertrag an einer katholischen Privatschule in der Salzburger Provinz berichtete. Nur die deutsche Sprache sei mehr für private Unterhaltungen gestattet, Lachen aber und Weinen, das dürfe in der Muttersprache geschehen. Damit sich unter den 400 Schülern nicht durch 16 Mitschüler mit Migrationshintergrund befremdlich fühlten.

Eine pointierte Stellungnahme dazu findet sich hier.

Sprechen denn, wenn sich alle des Deutschen bedienen, dann auch dieselbe Sprache? Und finden nicht vielmehr die, die Gemeinsames wollen, auch in verschiedenen Sprachen zu einer gemeinsamen?


Gestern, beim Familienbegräbnis, nicht nur das Ineinandergleiten von Sätzen in verschiedenen Sprachen, sondern auch Musik als Sprache: als zum Auszug aus der Kapelle ein eigenwilliger Trauermarsch ertönte - Mendelssohns Hochzeitsmarsch nämlich, eine unvermutete Fröhlichkeit, weil Maria nun wieder mit ihrem vor 5 Jahren schon verstorbenen Gatten verbunden sei.


Ich sehe hinaus in den Regen, 8° Wintertemperatur, der Berg gnädig von Wolken verhüllt, dass man den Schnee nicht sähe, der wieder kam. Düstere Mittsommertage.

Samstag, 19. Juni 2010

Der Tod der alten Damen

Mimi ist tot. Sie starb schon vor Tagen, alleine, und wahrscheinlich nicht mehr wissend, wo sie ist. Irgendwann war der Tag gekommen, da es nicht mehr möglich war, sie alleine in der großen Wohnung leben zu lassen. Ein Sachwalter hatte sich schon seit geraumer Zeit ihrer Agenden angenommen, eine Aufräumefrau sah regelmäßig nach dem Rechten, doch das bewahrte die einstmals so lebendige, sprühende alte Dame nicht vor langen Stunden der Hilflosigkeit, gestürzt in der verriegelten Wohnung, und ohne Erinnerung, wie das passiert sei, nachdem die Feuerwehr die Türe aufgebrochen hatte. So kam sie also ins Krankenhaus, erst in das eine, dann in ein anderes, abgeschoben, niemand da, der sich gekümmert hätte. Und dann war sie tot.

Was wird nun? fragte der Hirsch, doch niemand zeigte sich zuständig, damit sie ein Begräbnis bekäme, das ihrer würdig sei. Mit jedem Spitalswechsel war ein anderer Bezirksnotar ins Spiel gekommen, der Sachwalter hatte auch keine offizielle Funktion mehr nach ihrem Ableben; der Hirsch, der verzweifelt zu erwirken versuchte, dass sie zu ihrem Charlie ins Grab käme, Geld war ja genug vorhanden, wurde vom einen zum anderen verwiesen und erntete nichts als Unzuständigkeitsmeldungen, hätte auch das Geld vorgestreckt, und nur die Kooperationsbereitschaft des Sachwalters und dann doch ein Notar, der zuhörte - wunderten sich nicht alle immer, dass da einer war, der, nicht verwandt, sich so einsetzte für die alte Dame? - machten es letztlich möglich, und nun wird es ein Begräbnis geben für Mimi mit allem, was dazu gehört.


Eine andere alte Dame ist fast zeitgleich gestorben, die Schwiegermutter eines meiner Brüder, die auch die Schwiegermutter unseres Cousins ist. Der Krebs hatte erst ihre Brüste zerfressen, dann das Gehirn, dort machten sie ihm mit neuester Technologie den Garaus, doch dann waren auf einmal Metastasen im Bauch, und die darauf folgende Chemo vertrugen die Organe nicht mehr. Maria, die schöne, aufrechte Triestinerin, die immer voller Güte zu den Menschen um sich gewesen war, starb in Wien im Beisein ihrer Töchter, der Enkelkinder, der Schwiegersöhne; durfte noch lange Stunden in der Familie bleiben, geküsst, umarmt, ein letztes Mal festgehalten. Und wurde heute beigesetzt, im Familiengrab ihrer Schwiegersöhne, in einer Stadt, in der sie nie war, und die ihr nun doch Heimstatt wurde, ein kleiner Flecken Geborgenheit und eine Stätte der Erinnerung für die, die sich ihrer erinnern wollen.

Es waren viele gekommen: meine Geschwister, meine Kinder, meine Eltern, die italienische Verwandtschaft und die Freunde der einen Tochter, die Südtiroler Verwandtschaft meiner Familie, und es gab Musik, Marias Lieblingsmusik, Verdi und Mahler und Bruckner, und dass es regnete und kalt war, störte nicht, die große Linde beim Friedhof ließ etwas von ihrem Blütenduft verspüren. Und Marias Töchter erzählten unter Tränen von der Schönheit und Größe ihrer Mutter, ihrer Grazie und ihrer Herzenswärme, es wurde erinnert und erzählt und gegessen und getrunken, und das plötzliche Wegsein war für einige Stunden aufgehoben.




Mimi wird am 1. Juli um 14 Uhr am Südwestfriedhof in Wien begraben. Es werden wohl nicht viele da sein.

Freitag, 18. Juni 2010

Ein guter Toter.

Ein spontaner Nachruf, vielleicht um meine Betroffenheit zu lindern:

Christoph Wagner, Autor für so vieles, vor allem aber Essen, Restaurants, Wein, Genuss an sich, ist gestorben.

Er war mir seit über zwanzig Jahren Freund, durch ihn habe ich gelernt, was gutes Essen sein kann, ich habe mit ihm gegessen und gefeiert, und in den letzten Jahren durfte ich auch mit ihm, für ihn arbeiten. Sein Stil war mir immer auch Vorbild, und sein Zugang, den ich nie als von oben wertend empfand, sondern immer als einen von der Mitte heraus.

Und so erfahre ich seinen Tod wie das Versiegen einer Nahrungsquelle: in seinen Texten fand ich den Rückhalt, der meinem Schreiben weiterhalf, der mir Zweifel an meinem Tun nahm, aus seinem Ansatz nahm ich den Ansporn fürs Eigene.

Ich verdanke ihm so viel: nicht nur in welche Richtung ich meinen beruflichen Weg lenkte, was er mir hier mit ermöglicht hat - sondern auch die Begegnung mit einigen Menschen, die zu innigen Freunden wurden. Ja, auch das verdanke ich dem Vertrauen, das er einmal in mich gesetzt hatte.

Dass er so plötzlich gehen musste, kam, obwohl ich um seine schwere Krankheit wusste, dennoch überraschend, und ich bin im Innersten aufgewühlt. Auch, weil seine Frau mir sehr nahe steht. Es ist unfassbar.


Ich weiß, dass er die Oper liebte, und deshalb gibt es nun
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karrri - 2014-06-24 12:18
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uferlos - 2011-10-08 00:28
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ConAlma - 2011-10-07 11:40
Was gab's denn so wichtiges...
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rinpotsche - 2011-10-07 00:37
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books and more - 2011-10-07 00:30
sang und klanglos :-(
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profiler1 - 2011-10-06 21:55
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katiza - 2011-10-06 10:34

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